Yoshitomo Nara

All My Little Words

Bis 1. November 2023

Yoshitomo Nara | Miss Margaret, 2016 | Private Collection, United States of America © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara
Yoshitomo Nara | Miss Margaret, 2016 | Private Collection, United States of America © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara

Yoshitomo Nara (*1959) zählt weltweit zu den bekanntesten Künstlerinnen und Künstlern seiner Generation. Ab den 1990er-Jahren erlangt er mit seinen „Angry Girls“, stark stilisierten Mädchendarstellungen mit grimmigem Blick, Vampirzähnen oder Messer in der Hand, internationale Aufmerksamkeit. Die Figuren mit Kindchenschema, die an die Ästhetik von Comics und Cartoons erinnern, reichen von der rotzig-frechen Göre bis zu naiv und lieblich wirkenden Charakteren.

All My Little Words in der ALBERTINA MODERN, die seit über zehn Jahren die erste große Museumspräsentation des Künstlers in Europa darstellt, liegt auf Naras facettenreichem zeichnerischem Œuvre, das sich über einen Zeitraum von rund 40 Jahren entwickelt und in einer vom Künstler selbst zusammengestellten Hängung gezeigt wird. Die Ausstellung reicht von frühen experimentellen Arbeiten auf Papier über einige Gemälde und Skulpturen bis hin zu einer raumgreifenden Installation. Die Zeichnungen, die er manchmal fast beiläufig auf Zetteln, Kuverts, Flyern oder Wellpappe umsetzt, lassen den direkten Einfluss von Musik, Literatur, Sub- und Popkultur erkennen und bringen das gesellschaftspolitische Anliegen des Künstlers zum Ausdruck: Sie verhandeln auf eine tagebuchartige Art soziale Werte, Normen und Ideale. In der Zeichnung manifestiert sich Naras Meisterschaft, der Reichtum eines emotionalen Spektrums, das von Verletzlichkeit über existenziellen Tiefgang bis hin zu Rebellion und Widerspenstigkeit reicht.

Nara wächst im Norden Japans, in der Präfektur Aomori auf. Seine Eltern sind beide berufstätig und auch seine deutlich älteren Brüder häufig außer Haus. So verbringt Nara als klassisches Schlüsselkind viel Zeit alleine. Irgendwann stößt er im Radio auf den Sender einer nahegelegenen amerikanischen Air Base und lernt dadurch Country- und Rockmusik kennen. Ohne von den englischsprachigen Songs auch nur ein Wort zu verstehen, versucht er sich anhand der Plattencover einen Reim auf deren Inhalt zu machen, beginnt sich Inhalte auszudenken oder diese durch Wortmelodie, Klang und Rhythmus zu erfassen. Diese Liebe zur Musik, dieses tiefe Empfinden beim Hören von Musik, ist bis heute Teil von Naras Leben und Teil seiner Arbeitspraxis.

Yoshitomo Nara | Drawing for "Hardboiled / Hard Luck" | Collection of the artist Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara
Yoshitomo Nara | Drawing for "Hardboiled / Hard Luck" | Collection of the artist Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara
Yoshitomo Nara | With the Knife, 2018 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery | Foto: Keizo Kioku
Yoshitomo Nara | With the Knife, 2018 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery | Foto: Keizo Kioku

Neben der Musik spielt die frühe Erfahrung von Einsamkeit eine wesentliche Rolle in Naras Schaffen – eine Erfahrung, die sich für ihn im jungen Erwachsenenalter wiederholt, als er 1988 an die Kunstakademie in Düsseldorf geht, um bei A. R. Penck zu studieren, und die folgenden zwölf Jahre in Deutschland, in der Fremde, verbringt. Hier fühlt er sich oftmals an die Einsamkeit seiner Kindertage erinnert. In dieser Zeit in Deutschland, in der Zurückgezogenheit des Ateliers, findet Nara allmählich zu seiner individuellen Ausdrucksweise und zu seinem eigenen künstlerischen Anliegen.

Aufgrund ihrer Super-Deformed Proportionen werden Naras Figuren oft mit der Bildsprache von Comics und Cartoons assoziiert. Ab 2000 erlangte Nara damit auch internationale Anerkennung als Vertreter der japanischen Superflat, einer Kunstbewegung, die sich auf genau diese Art von Ästhetik und ihre Rolle in der japanischen Konsumgesellschaft bezieht. Ähnlich wie die amerikanische Pop Art ist sie eine antihierarchische Verschmelzung von Hoch-, Sub- und Alltagskultur. Dies mag zwar bis zu einem gewissen Grad auf Naras Arbeiten zutreffen, bei ihm dient das oberflächliche kawaii (japanisch für: süß, klein, unschuldig, mitleiderregend, unbedeutend) aber vorrangig dem Zweck der Kontaktaufnahme und Interaktion. Seine Zeichnungen werden auf antihierarchische Weise als Kommunikationsmittel eingesetzt. Es geht darum, intuitiv und spontan auf etwas zu reagieren, etwas zum Ausdruck zu bringen, das von jedem und jeder verstanden werden kann: nicht elitär, ungezwungen und direkt.

Das kleine Mädchen mit dem großen Kopf nimmt Gestalt an. Es fordert immer mehr Platz und verdrängt zunehmend den Hintergrund. Endlich hat Nara das Gefühl, etwas erschaffen zu haben, das ihm komplett entspricht, das sich aus seinem Innersten heraus offenbart. Die Mädchenfigur wird für ihn zum Hauptmotiv, zu einem universellen Template, das er in unterschiedlichen Ausprägungen und mit unterschiedlichen Attributen umsetzen kann.

Hinter den auf den ersten Blick naiv oder vielleicht sogar niedlich erscheinenden Wesen versteckt sich eine Punk-Attitüde. Nicht in einem zerstörerischen, aber in einem kritischen Sinn, in einer Weise, die hinterfragt, aufbegehrt und sich nichts gefallen lässt. Es sind starke kleine Persönlichkeiten, die sich der Erwachsenenwelt und irgendwo auch ihrem eigenen Erwachsenwerden widersetzen, die in einer Ehrlichkeit und Unverfälschtheit, wie sie nur Kindern eigen ist, ihre Meinung und ihre Gefühle offenbaren und denen zugestanden wird, eben diese zu haben.

Die Ausstellung ist von 10. Mai bis 1. November 2023 in der ALBERTINA MODERN zu sehen.

Video: Video zur Ausstellung
Playlist: Exhibition Soundtrack

PROGRAMM ZUR AUSSTELLUNG 

Öffentliche Führungen
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Termine & Tickets

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PODCAST FÜR KINDER

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Ausstellungsansichten | Fotos © Sandro E. E. Zanzinger – 5 Bilder
Yoshitomo Nara: Work for “Dream to Dream”, 2001

Yoshitomo Nara | Work for “Dream to Dream”, 2001 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara

Yoshitomo Nara: Ships in Girl, 1992

Yoshitomo Nara | Ships in Girl, 1992 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara

Yoshitomo Nara: Untitled, 2005

Yoshitomo Nara | Untitled, 2005 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara

Yoshitomo Nara: Miss Margaret, 2016

Yoshitomo Nara | Miss Margaret, 2016 | Private Collection, United States of America © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara

Yoshitomo Nara: Fuck U, 2015

Yoshitomo Nara | Fuck U, 2015 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara

Yoshitomo Nara: Hi, 2019

Yoshitomo Nara | Hi, 2019 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara

Yoshitomo Nara: Cup Kid, 2000

Yoshitomo Nara | Cup Kid, 2000 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara

Yoshitomo Nara: Love or Nuclear, 2022

Yoshitomo Nara | Love or Nuclear, 2022 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara

Yoshitomo Nara: Work for Picture Book “Lonesome Puppy”, 1999

Yoshitomo Nara | Work for Picture Book “Lonesome Puppy”, 1999 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: ALBERTINA, Wien

Yoshitomo Nara: Untitled (Detail), 2005

Yoshitomo Nara | Untitled (Detail), 2005 | Galerie MEYER*KAINER, Wien © Yoshitomo Nara | Foto: ALBERTINA, Wien

Yoshitomo Nara: Moonage, 2022

Yoshitomo Nara | Moonage, 2022 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery © Yoshitomo Nara | Foto: © Keizo Kioku

Yoshitomo Nara: Midnight Pilgrim, 2012

Yoshitomo Nara | Midnight Pilgrim, 2012 | ProWinko ProArt © Yoshitomo Nara | Foto: © Keizo Kioku

Yoshitomo Nara: Drawing for

Yoshitomo Nara | Drawing for "Hardboiled / Hard Luck", 1999 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery | © Yoshitomo Nara | Foto: Yoshitomo Nara

Yoshitomo Nara: Burn, 2022

Yoshitomo Nara | Burn, 2022 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery | Foto: Keizo Kioku

Yoshitomo Nara: With the Knife, 2018

Yoshitomo Nara | With the Knife, 2018 | Collection of the artist | Courtesy Pace Gallery | Foto: Keizo Kioku

Yoshitomo Nara: Ausstellungsansicht: My Drawing Room 2008 (Innen Ansicht), Schlafzimmer inbegriffen, 2008

Yoshitomo Nara | Ausstellungsansicht: My Drawing Room 2008 (Innen Ansicht), Schlafzimmer inbegriffen, 2008 | Courtesy of the artist and Pace Gallery | © Yoshitomo Nara | Foto: © Sandro E. E. Zanzinger

Yoshitomo Nara: Ausstellungsansicht: My Drawing Room 2008 (Außenansicht), Bedroom Included, 2008

Yoshitomo Nara | Ausstellungsansicht: My Drawing Room 2008 (Außenansicht), Bedroom Included, 2008 | Courtesy of the artist and Pace Gallery | © Yoshitomo Nara | Foto: © Sandro E. E. Zanzinger

Yoshitomo Nara: Ausstellungsansicht: Drawing Table,

Yoshitomo Nara | Ausstellungsansicht: Drawing Table | Courtesy of the artist and Pace Gallery | © Yoshitomo Nara | Foto: © Sandro E. E. Zanzinger

Yoshitomo Nara: Ausstellungsansicht: Yoshitomo Nara - ALBERTINA MODERN,

Yoshitomo Nara | Ausstellungsansicht: Yoshitomo Nara - ALBERTINA MODERN | Courtesy of the artist and Pace Gallery | © Yoshitomo Nara | Foto: © Sandro E. E. Zanzinger

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Der Katalog zur Ausstellung

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Yoshitomo Nara (*1959) zählt weltweit zu den bekanntesten Künstlerinnen und Künstlern seiner Generation. Ab den 1990er-Jahren erlangt er mit seinen „Angry Girls“, stark stilisierten Mädchendarstellungen mit grimmigem Blick, Vampirzähnen oder Messer in der Hand, internationale Aufmerksamkeit. Die Figuren mit Kindchenschema, die an die Ästhetik von Comics und Cartoons erinnern, reichen von der rotzig-frechen Göre bis zu naiv und lieblich wirkenden Charakteren.
Sein Schaffen umfasst Malerei, Zeichnung, Fotografie, Installationen und Skulpturen – etwa aus Bronze, Keramik oder Fiberglas. Begleitend zur Ausstellung erscheint der 240-seitige Katalog in einem zweisprachigen Band – der Schutzumschlag ist dabei als Wendeplakat konzipiert.

EUR 36,90 | Deutsch/Englisch

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